Weil die Woche über Ostwetter war, hat der starke Wind viel Staub aus der angrenzenden Wüste in die Stadt geblasen. Deshalb war es uns fast unmöglich, zu arbeiten, da wir immer im Freien sind. So hatte ich etwas Zeit, mal die Stadt zu einer Zeit zu erkunden, in der Geschäfte und Cafes geöffnet sind (die Öffnungszeiten sind nämlich meiner Meinung nach sehr seltsam). Schon länger hatte ich mir vorgenommen, einmal bei dem Gebäude in meiner Nachbarschaft der Telecom Namibia in Walvis Bay vorbei zu schauen und nach einer Führung zu fragen. Tatsächlich haben sich zwei nette Mitarbeiter bereit erklärt und mir über fast 2 Stunden eine private Führung gegeben, die äußerst spannend war.
1. Raum
Der erste Raum war gefüllt mit Telefon-2-Draht-Patch-Panels, denn viele Kunden sind über ISDN oder DSL angebunden. Zu bestaunen waren verschiedene Generationen an Patch-Panels und eine Menge Kabelsalat. Beeindruckend, wer sich da zurechtfindet. Aber ich bin mir sicher, dass so eine Installation in Deutschland genauso ausschaut. Der Raum ist ansonsten mäßig spannend, da dort nur passive Technik zu sehen ist.
2. Raum
Eine Etage darüber wurde es schon spannender. Denn dort befindet sich die aktive Technik, die die Telefondrähte zum Leben erweckt. Wenn ich die Erklärungen richtig verstanden habe, handelt es sich bei den Anlagen u. A. um DSLAMs und ISDN-Geräte. Auch hier kann man wieder die verschiedene Generationen an Geräten erkennen: Die Anzahl an Anschlüssen, die pro Rack terminieren, steigt von Generation zu Generation drastisch. Interessant fand ich auch, dass man hier keine weißen Kästen in den Straßen findet, während in Deutschland an jeder Straßenecke ein DSLAM steht. Das liegt daran, dass diese das raue Küstenwetter nicht lange überleben würden. Das kann ich mir gut vorstellen, denn hier ist wirklich alles am rosten. Deshalb sind sie in Walvis Bay hauptsächlich indoor untergebracht. Nur im relativ jungen Stadtteil Narraville plant Telecom Namibia erste versuche mit outdoor DSLAMs.
3. Raum
Im 2. Obergeschoss wurde es dann noch spannender: Dort stehen kunterbunt gemischt GSM Basisstationen für die Antennen auf dem Dach, Racks voll Glasfaseranschlüssen (viele Kunden sind nämlich über Glasfaser angebunden), Collocation-Racks mit Hardware anderer Kunden, wie z. B. mtc, Namibias größter Mobilfunkanbieter, größere Switches (alte Cisco Catalyst) und viele Kisten, von denen ich keine Ahnung hab, was sie genau tun. Tatsächlich hätte ich hier noch größere Switches und Router erwartet. Jedoch ist Walvis Bay, und vor allem der Stadtteil, in dem potentielle Kund*innen wohnen, nicht allzugroß.
4. Raum
Nebenan verbargen sich noch weitere Schätze: Meine beiden Guides betreten den Raum selbst nur selten, denn sie mussten erst einmal die Schnur zum Licht einschalten suchen. Doch dann konnte ich Geräte in Racks bestaunen, die ich erst einmal nicht erwartet hätte: Radiosendestationen. Mehrere Radiosender nutzen den Standort, um ihr Programm über FM auszustrahlen. Auch hier fanden sich wieder offensichtlich verschiedene Generationen an Equipment wieder. Neben 19-Zoll-1-HE-Geräten, die ähnlich, wie Empfangsradios aussehen, stehen große Zylinder mit Einstellrad: Analoge Filter. Von ihnen geht ein dicker Funkwellenleiter aufs Dach zur Sendeantenne.
maritime Funkdienste
Zuletzt besuchten wir noch eine Abteilung, die ich hier auch nicht erwartet hätte. Im Auftrag der namibischen Regierung werden von dort aus maritime Funkdienste betrieben. Ich bin absolut kein Experte auf diesem Gebiet, jedoch hab ich das so verstanden: Auf der ganzen Welt gibt es Systeme, um Schiffe mit Wettervorhersagen und Gefahreninformationen zu versorgen. Dazu senden verschiedene Basisstationen zu festen Uhrzeiten auf bestimmten Frequenzen regelmäßig ihre Informationen. Neben gesprochenen Durchsagen werden diese Informationen auch digital über NAVTEX verbreitet. Während letzteres durch Software gescheduled wird, handelt sich es bei ersterem quasi um manuelles TDMA und FDMA (für die Kommunikationstechniker unter uns ;) ).
Die Leitstelle, die ich besichtigt habe, deckt dabei die Gesamte Küstenregion Namibias ab (vom Kunene-Fluss bis Oranjemund). Interessanterweise übernimmt Südafrika ein überlappendes Gebiet, das die Küste Namibias, Südafrikas und (soweit ich mich erinnern kann) auch Moçambiques abdeckt. Ich vermute, dass diese Redundanz eine Folge davon ist, dass Namibia noch bis vor 30 Jahren Kolonie Südafrikas war. Um die Funkinformationen zu verbreiten, werden verschiedene Basisstationen entlang der Küste verwendet, die jedoch alle aus Walvis Bay aus der Ferne gesteuert werden. In den Namibischen Funksprüchen werden beispielsweise die Position einiger duzend Objekte, hauptsächlich Bohrplattformen, wie es sie vor der Küste Namibias häufig gibt, durch gefunkt.
Neben dem Verbreiten der Informationen wird auch ständig der Funkverkehr abgehört und Relevantes mit protokolliert. Tatsächlich können sie hier mit Radiowellen Funksprüche von etwa 90% der Erdoberfläche mit hören. Die Pole werden via Satellit abgedeckt. Wenn beispielsweise ein Fischerei-Schiff einen Notruf absetzt, wird der Rettungseinsatz von dieser Leitstelle, welche 24/7 redundant besetzt ist, koordiniert. Namibia selbst verfügt allerdings über keine Rettungsschiffe und Hubschrauber. Diese kommen im Falle eines Falles aus Südafrika.
Eine spannende Story, die diese Abteilung wirklich hautnah mitbekommen hat und, die ich auch schon mal von meiner Arbeitskollegin erfahren habe, war der Untergang eines Fischerei-Schiffes vor etwa 2 Jahren. Was sich ganz genau ereignet hat, hab ich nicht ganz erfahren und die Geschichten variieren auch ein wenig. Jedoch ist besagtes Schiff eines Tages in Seenot geraten. Nachdem der Kapitän den Großteil (oder die gesamte?) Mannschaft evakuiert hat, ist er noch einmal in sein Schiff zurück gekehrt. Man weiß jedoch nicht genau, warum. Auf jeden Fall ist dieser Mann dann zusammen mit seinem Schiff gesunken und man hat ihn nicht mehr gefunden.
Fazit
Als Fazit muss ich sagen, dass das für mich als Nerd doch ein sehr gelungener Vormittag war. Ich finde es immer wieder beruhigend, festzustellen, dass selbst kommerzielle Unternehmen auch nur mit Wasser kochen. Interessant fand ich, die verschiedenen Generationen an Equipment zu sehen und ganz deutlich zu sehen, dass diese immer effizienter und kompakter wurden über die Zeit.
Auf der Metaebene fand ich es richtig stark, wie freundlich die Mitarbeiter*innen zu mir waren und sich die Zeit genommen haben, mir alles zu zeigen. Es ist schön zu sehen, dass Nerds auf der ganzen Welt doch ähnlich ticken und der Spaß am Gerät alle verbindet. Zuletzt war ich auch sehr glücklich darüber, dass ich mich getraut hab, dort hin zu marschieren und einfach mal naiv anzufragen. Der Mut hat sich gelohnt. Ich hab mich gefragt, ob ich so etwas auch in Deutschland gemacht hätte oder ob mich der jugendliche Leichtsinn eines Freiwilligen getrieben hat. Ich glaube aber, wenn ein Kommunikationsdienstleister in Deutschland ein derartig offensichtlich interessantes Gebäude in meine Nachbarschaft gestellt hätte, dass ich mir das dann auch angeschaut hätte.