Ich: Ich gehe nach Afrika, nach Namibia.
Andere Person: Ah Afrika, XY war da auch mal!
Ich: Ach interessant. In welchem Land war XY denn?
Andere Person: Ja, auch in Afrika.
So oder so ähnlich lief eines meiner Gespräche kurz vor meiner Ausreise ab. Selbst ich hatte, als ich mich entscheiden musste, wohin es gehen soll, nur eine sehr wage Sehnsucht nach Afrika, ohne eine Vorstellung über die verschiedenen Länder auf dem Kontinent zu haben. Als mir Namibia zugeteilt wurde, wusste ich nicht einmal, wo es liegt. Peinlich.
Höchste Zeit, meine Fehleinschätzungen und Vorurteile zuzugeben, und damit aufzuräumen:
Afrika ist ein Land
Wie schon angemerkt, ist das Quatsch. Afrika ist ein Kontinent mit über 50 Ländern. Die Vorstellung, dass man von einem afrikanischen Land auf alle anderen schließen kann, ist ähnlich absurd, wie, dass man "Europa in 5 Tagen machen" kann. In beiden Fällen gibt es zwischen den Ländern eine Menge politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Unterschiede. Außerdem ist Afrika flächenmäßig 3 mal so groß wie Europa. Zwischen Namibia und Uganda gibt es mindestens genauso viele Unterschiede, wie zwischen Deutschland und Portugal.
Im Buch Wir Herrenmenschen beschreibt Bartholomäus Grill, dass Europäer:innen Afrika oft mit dem "Kolonialen Blick auf die Katastrophenmasse Afrika" schauen. Afrika steht nämlich hauptsächlich dann im Fokus, wenn irgendetwas Schlimmes passiert. Sonst erfährt man eigentlich kaum etwas von dem Kontinent. Da hab ich mich auf jeden Fall wiedergefunden. Das war dann auch ein Grund, der mich motiviert hat, einmal hier her zu kommen, damit ich nachsehen kann, ob es hier wirklich nichts als Katastrophen gibt, oder ob es der Kontinent nicht doch viel öfter verdient, beleuchtet zu werden.
Vor der Ausreise ist mir in Nachrichten auch sehr häufig aufgefallen, dass Afrika als ein Ganzes geschildert wird und das eigentliche Land frühestens im zweiten oder dritten Satz erwähnt wird. Wenn ein Regierungsmitglied eines anderen Kontinents zu uns kommt, spricht man von einem "Deutschlandreise". Kürzlich war jedoch unser Bundeskanzler und davor unsere Außenministerin auf "Afrikareise".
An dieser Stelle sei auch das Spiel des Jahres 1989, das "Cafe International", erwähnt. Es enthält Spielkarten für einige Länder, unter anderem Deutschland, Frankreich und "Afrika". Der Bildungsauftrag wird insofern knapp verfehlt, als dass für dieses fiktive Land die Fahne der Zentralafrikanischen Republik verwendet wird. Dazu sei erwähnt, dass das Spiel außerdem durch unangenehme heteronormative Regeln und rassistische Stereotype in Form von unangebrachten Piktogrammen auffällt.
In Afrika ist es furchtbar heiß
Deswegen befinden sich in meinem Koffer hauptsächlich kurze Hosen und T-Shirts. Hier in Namibia und gerade bei mir an der Küste ist es aber durchaus auch manchmal kalt. Nachts musste ich schon das eine oder andere mal unter der dünnen Bettdecke frieren. Ich hatte bisher Tagestemperaturen von etwa 20 Grad mit kaltem Wind, aber natürlich auch schon an die 30 Grad. Wobei ich sagen muss, dass ich die trockene Hitze relativ angenehm finde, wenn man sich nicht gerade unter der knallenden Sonne aufhält. Denn Wolken gibt es hier wirklich selten.
Auch ein Mitfreiwilliger, der gerade in Uganda ist, musste vor Kurzem feststellen, dass es Tage gibt, an denen man frieren muss. Allerdings hab ich noch nicht herausgefunden, wie die jahreszeitlichen Verläufe sind und konnte die Klimadiagramme noch nicht deuten. Vielleicht gibt es zum Thema Wetter später nochmal einen Post.
In Afrika sind alle Menschen Schwarz
Mir war natürlich bewusst, dass Hautfarbe eine relativ nebensächliche Eigenschaft eines Menschen ist, die sich vor allem für Vorurteile und Rassismus eignet. Dennoch hatte ich, wie wahrscheinlich viele Europäer:innen, ein ganz bestimmtes Bild vom "schwarzen Kontinent".
Dass gerade in Namibia eine Menge verschiedener Ethnien leben, hab ich relativ früh bei meinen Vorbereitungen erfahren. Nachdem Namibia vor über 100 Jahren eine deutsche Kolonie und bis vor etwa 30 Jahren eine südafrikanische war, trifft man hier auch "deutsche Kartoffeln" und sogenannte Buren an, die weiß oder zumindest hellhäutig sind.
Eine meiner Fragen mit der ich nach Namibia gekommen bin, ist, ob Weiße zu Namibia gehören oder wie es zu bewerten ist, dass sie hier wohnen. Noch hab ich keine Antwort darauf gefunden.
In Afrika sind die Menschen arm
Während wahrscheinlich einige Metriken und Indizes bestätigen, dass viele in Afrika (auch hier müsste man natürlich zwischen den einzelnen Ländern unterscheiden) ärmer sind als viele in Europa, trifft dieses Vorurteil natürlich nicht auf alle zu. Gerade Namibia ist wohl das Land, in dem die Schere zwischen arm und reich am größten ist. Viele (und zugegebenermaßen aktuell auch ich) haben einen fast europäischen Lebensstiel. Zudem fallen auch sehr deutlich viele extrem Reiche auf, die sich hier ein angenehmes Leben machen wollen. In der Hauptstadt Windhoek haben wir recht schnell drei Stadtteile identifiziert, die so reich wirken, dass man sie in Deutschland kaum antreffen würde: Klein Windhoek, Ludwigsdorf und Luxury Hill. Es ist kein Zufall, dass zwei davon deutsche Namen tragen und beim dritten ist Name Programm.